BGH ändert seine Rechtsprechung zur Anbietpflicht des Vermieters bei Eigenbedarfskündigung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich heute in einer Entscheidung mit zwei grundlegenden und für die Praxis bedeutsamen Fragen im Zusammenhang mit Eigenbedarfskündigungen im Wohnraummietrecht beschäftigt.
Sachverhalt
Die Beklagten haben im Jahr 1985 vom Rechtsvorgänger der Klägerin eine 5-Zimmer-Wohnung in München gemietet; die Miete für die 166 qm große Wohnung beläuft sich inzwischen auf 1.374,52 € monatlich.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete, aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die das Anwesen, in dem die streitige Wohnung liegt, im Gründungsjahr erworben hat. Nach dem Gesellschaftsvertrag besteht der Zweck der Gesellschaft in der „Instandsetzung, Modernisierung und dem Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie nach Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungseigentum“. Im Jahr 1994 begann die Klägerin mit der Sanierung des Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen, wobei einige inzwischen verkauft wurden. Die Wohnung der Beklagten ist die letzte Wohnung, die noch nicht saniert ist.
Im September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit Eigenbedarf der Tochter eines der Gesellschafter. Die Beklagten sind der Kündigung entgegengetreten.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitigen Wohnung abgewiesen. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Kündigung der Klägerin wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, weil die Klägerin treuwidrig versäumt habe, den Beklagten eine seit April 2014 leerstehende 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss anzubieten.
Auch die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat allerdings – unter bewusster Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – die Auffassung vertreten, mit Rücksicht auf den unter anderem in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorgesehenen Bestands- und Verdrängungsschutz des Mieters dürfe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Wohnraummietvertrag bereits von vornherein nicht wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen kündigen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Bezüglich der vom Amtsgericht bejahten und vom Berufungsgericht offen gelassenen Frage, ob die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin durch die unterlassene Anbietung einer im selben Anwesen gelegenen Zweizimmerwohnung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam geworden ist, hat der Senat in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, dass dies nicht die Unwirksamkeit einer berechtigt ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung zur Folge hat.
Zwar ist ein Vermieter verpflichtet, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten, da der Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen besondere Bedeutung von Verfassungsrang zukommt. Der Vermieter hat dem betroffenen Mieter deshalb eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet.
Allerdings hält der Senat nicht länger daran fest, dass die Verletzung einer solchen Anbietpflicht durch den Vermieter die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zur Folge hat. Denn hierdurch stellt sich eine – rechtswirksam – ausgesprochene Kündigung nicht nachträglich als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar. Vielmehr zieht eine Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) des Vermieters – wie auch bei sonstigen Verstößen gegen Nebenpflichten – lediglich Schadensersatzansprüche nach sich. Dem Mieter können daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.
BGH, Urteil vom 14.12.2016, Aktenzeichen: VIII ZR 232/15
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 225/2016
Veröffentlicht am 14. Dezember 2016
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